Seit elf Jahren bespielt das deutsche Duo The Great Faults Bühnen und Tonträger mit Indierock, in dem viel Blues, Soul und Luft zum Atmen steckt.
Zu zweit kann man natürlich nur eine überschaubare Anzahl Instrumente zugleich einsetzen, wenn das Ergebnis auf Platte dem Live-Erlebnis nahekommen soll. Alle Ritzen füllender Klang ginge trotzdem. Aber die Leerstellen sind hier keine Mangelerscheinung, sie sind prägendes kompositorisches Element. In der Reduktion steckt der Reichtum der großen oder großartigen Fehler.
Auf dem vierten Album Soultwist folgen Kroll und Wagner unbeirrt diesem Weg. Wie gewohnt ist auch das Tempo meist zurückgenommen – für Rockmusik-Verhältnisse zumindest. Dank strategisch platzierten schnelleren Nummern wie Bird on a Wire, Without und Switched Off sowie dem funktional benannten Interlude als rein instrumentalem Mittelteil entsteht eine harmonische Zusammenstellung mit wohldosierter Dynamik.
Auf ein wenig Abwechslung wurde zudem beim Songwriting und der Instrumentierung geachtet: Hell of a Rain und Three Wishes mit ihrer spannungsgeladenen, düster wabernden Atmosphäre bleiben hängen, ohne sich aus dem Gesamtgefüge zu lösen; Details machen den Unterschied. Den kurzen Opener Crack in the Mirror akzentuieren der Klang einer Mundharmonika und eines E-Pianos. Der Song endet allein mit Krolls von Pausen durchsetztem Gesang, der breitbeinige Einstieg in das folgende Bird on a Wire wirkt somit umso stärker. Meant it wird zunächst von einer sanft schwingenden Melodie versüßt, bevor es offener, rhythmuslastiger wird. Einfache Lösungen sind nicht gefragt.
Das Element, das ich bei The Great Faults vielleicht am meisten mag, ist der Blues. Auf (alten) Blues steh ich nunmal, so einfach ist das. Dabei bevorzuge ich druckvolle, stampfende Stücke, schwer und roh. Diese Vorliebe bedient Soultwist wie seine Vorgänger weniger, das ist nunmal nicht der Ansatz des Duos. Der ist immer noch Indierock, der sich auch aus altem Pop und schrammeligen Garage oder Grunge speist. Aber obwohl beide Bands als Inspirationsquellen genannt werden: Songs im Stil von Nirvana oder The Beatles darf man nicht erwarten. Die Band hat ihren ganz eigenen musikalischen Kosmos, fernab der berühmten Wut oder dekadenüberdauernder Melodien.
Ich empfinde das Werk von The Great Faults als Gegenpol zur lauter, greller und schneller werdenden Welt – handwerklich über jeden Zweifel erhaben, etwas altmodisch und bescheiden, aber sicher nicht langweilig oder kraftlos. In sich gekehrt und dennoch berührend. Auch nach elf Jahren noch.
Soultwist wird am 25.11.2022 veröffentlicht.