Straßenmusik

Rezension: The Slapstickers – Addicted To The Road (Bonn Boom Music)

Kurz vor ihrem 20. Geburtstag dieses Jahr veröffentlichten The Slapstickers Ende 2014 ihr achtes Album „Addicted To The Road“. Die Third Wave-Veteranen bleiben sich darauf treu und spielen handwerklich anspruchsvollen Ska.

Änderungen sind eher im Detail zu finden, machen aber durchaus einen Unterschied. Im Lineup gab es schon häufiger Wechsel; dieses mal aber vielleicht stärker hörbar: Die Bläsersektion wurde leicht reduziert und setzt sich nun „nur“ noch aus Saxofon, Trompete und Posaune zusammen. Dafür gibt es mit Andy Booth Verstärkung an der Gitarrenfront. Dieser bringt auch zusätzliche Vocals und vor allem die Feder mit, der ein Großteil der neuen Songs entspringt.

Der typische Slapstickers-Sound besteht aus breitwandigen, treibenden Bläsersätzen, fett und flott groovenden Strophen sowie tanzbeinanimierenden Melodien im Refrain. Besonders live ergibt dies im besten Fall einen berauschenden Mix, dem sich kaum ein Körperteil entziehen kann. Auf „Addicted To The Road“ wurde das Rezept in „Won’t Bring Me Down“ am genauesten und sehr erfolgreich befolgt.

Von diesem Muster entfernt sich die neunköpfige Band jedoch zusehends, wenn auch in kleinen Schritten. Auf dem aktuellen Album wird das Tempo häufiger etwas auf mittlere Geschwindigkeit gedrosselt, Up-Tempo-Nummern haben teils einen leicht schwermütigen Einschlag in der Melodie. Und das trotz der insgesamt angehobenen Mainstreamkompatibilität. Mehr denn je lässt sich die Slapstickers-Interpretation der bläserlastigen Offbeatmusik als Power-Skapoprock bezeichnen – wenn man so eine umständliche Etikette bemühen will (wofür ich immer zu haben bin, ja). Eigentlich unnötig zu erwähnen: Skapuristen finden bei den Slapstickers nicht ihr Glück. Vielmehr wäre die Band ein Kandidat dafür, dem hierzulande nicht über den Szeneradius hinausreichenden Musikgenre mal zu einem Radiohit zu verhelfen.

Was insbesondere die Albenproduktion der Slapz neben den bewährten Zutaten regelmäßig auszeichnet, ist das Spiel mit neuen Elementen, die punktuell hinzugefügt von der Liebe zur Musik in ihrer Gesamtheit zeugen. Gastmusiker etwa gehören seit langem zum guten Ton; diesen trifft auf dem Song „High Time Sunshine“ die weibliche Stimme stilsicher. Hier mischt zudem noch eine Mundharmonika mit. Mit einem hübschen kleinen musikalischen Zitat – ansonsten eine der Livestärken der Band – wartet „Lost My Soul“ auf, darüber hinaus überzeugt der Song in erster Linie mit seiner bärenstarken Bridge. Auch im bereits erwähnten Tanzkracher „Won’t Bring Me Down“ gibt es unerwartete Schmankerl in Form von coolen Chor-Shouts.

Abwechslung ist also innerhalb der stilistischen Grenzen gegeben. Vor allem aber sitzt das Korsett der bekannten Songstrukturen zunehmend lockerer, was unterschiedlich bewertet werden kann. Die unbeschwerten und auf die Tanzfläche zwingenden Tracks treten weiter in den Hintergrund, machen Platz für vertracktere Konstruktionen, von Melancholie angehauchte Melodien mit Indierockappeal, Classicrockgitarrensolos und andere Elemente. Einiges davon etwa in „Part Of My Own World“ zu finden, in dem aus dem Kontrast von leicht sperriger Strophe und wehmütigem Refrain Spannung entsteht. Die zweite Stimme in letzterem verstärkt die Distanz zu altbekanntem Material.

Das titelgebende Thema zieht sich textlich durch einige Stücke, dazu gesellt sich Gesellschaftskritik, gerne in besonders fröhlich schwingende Musik verhüllt. 20 Jahre Bandgeschichte, die vor allem auch auf den Straßen zwischen den vielen Auftrittsorten geschrieben wurde, hinterlassen so manche Spuren. Die guten alten Liebeslyrics haben die Slapstickers zwar nicht verlernt – bis diese erklingen, ist aber reichlich Zeit für problemorientiertere Zeilen. Ernste Themen im Offbeat, das war schon immer eine gelungene, weil irgendwie gegensätzliche Kombination, zumindest in meinen Ohren.

Was bleibt? Der potentielle Radiohit ist wahrscheinlich (noch) nicht dabei, ihr wahres und viel bedeutenderes Ziel haben The Slapstickers aber erneut erreicht: Ein musikalisch starkes Album mit viel Liebe zum Detail aufzunehmen. Je nach Geschmack reiht sich das in der persönlichen Bestenliste ihrer Diskografie eher hinten oder vorne ein, abhängig auch davon, wie sehr man am bewährten Erfolgsrezept hängt. Ich vermisse das Ungestüme früherer Tage, aber ich hinke beim Erwachsenwerden ja auch ein wenig hinterher.

Wer sich fragt, ob die neunköpfige Band mal was richtig Neues wagt, sollte sie in diesem Jubiläumsjahr im Auge behalten. Mit der Big Band The Swingcredibles wird an einer EP gearbeitet, die die größten Hits im neuen Gewand präsentieren soll.

Anspieltipps: Dancing To Commercials, Won’t Bring Me Down

Slapz_Addicted