Es ist an der Zeit, über Minigolf zu reden. (Miniaturgolf und Minigolf, um genau zu sein. Bei ersterem sind die Bahnen nur etwa halb so groß wie bei der Betonvariante. Der Einfachheit halber meine ich mit Minigolf aber beide Bahngolf-Varianten.)
Diese Präzisionssportart bietet eine Reihe von inhaltlichen Facetten, die es wert sind, präsentiert zu werden – auch wenn man bis zu diesem Satz nur ungläubig den Kopf schüttelt. Minigolf macht Spaß. Das werden viele bestätigen können. Nicht umsonst findet man die Bahnen an allen möglichen freizeitorientierten Orten. Alt und jung können sich eine Weile damit beschäftigen. Es kostet nicht viel, ist nicht übermäßig komplex, man kann ein Eis dabei essen, so weit, so banal. Bis hierhin kommt der gemeine Publikumsspieler.
Minigolf ist aber auch eine Wettkampfsportart mit nationalen und internationalen Meisterschaften. Diese mysteriöse Welt wird den Allermeisten verschlossen bleiben. Das Glück, das hier dargestellt werden soll, liegt dazwischen, in einer Sphäre zwischen Publikum und Vereinsspieler.
In dieser Sphäre tummeln sich Akademiker, Rocker, Nerds, DJs, Programmierer, Partygänger und diverses anderes Volk. Das widerspricht dem Klischee, das auf dem Minigolfplatz nur Familien mit Kleinkind und Kleingartennutzer zu finden sind. Was zieht die bunte Mischung an den Schläger? Man kann in den Ballsport eine gesellschaftskritische Komponente hineindeuten, wenn man denn will. Und ja, ich will! Der große Bruder Golf ist eine nach wie vor recht elitäre Angelegenheit, die der breiten Masse unzugänglich bleibt. Also kontert man im Kleinen und eignet sich den Sport über die Alternative vor der Haustür an. Mitten im Großstadtdschungel, zwischen Straßen und Hochhäusern, kann man auf einen Minigolfplatz stoßen – und gekleidet, wie man gerade ist, für schmales Geld den Schläger schwingen. Warum auf etwas verzichten, das man adaptieren kann. Golfen ist für alle da. Und ein hübsch gestalteter Platz kann durchaus eine Oase in der Betonwüste Stadt sein.
Zugleich ist Minigolf auch eine wunderbare potentielle Brutstätte für gepflegtes Nerdtum (womit ein dezenter inhaltlicher Brückenschlag zu dieser Seite vollzogen ist). Denn auch ohne Wettkampfambitionen verliert man sich schnell in den erstaunlich feinen Feinheiten des Sports. Die Standard-Publikumsschläger reichen bald nicht mehr, anspruchsvollere Modelle ermöglichen einen sichereren Schlag. Unerlässlich für den Erfolg ist zudem der richtige Ball – was bedeutet, dass man bald eine ganze Sammlung mit sich führt, denn die unterschiedlichen Bahnen erfordern auch recht unterschiedliche Bälle. Vom Flummi bis zum nahezu steinharten Klotz ist alles dabei. Voraussetzung ist natürlich, dass man die jeweiligen Geheimnisse der 18 Bahnen kennt. Die sehen zwar simpel aus, aber: Es gibt fast immer eine bestimmte Technik, den einen Winkel und den einen Punkt, den man anspielen muss, damit der Ball genau die richtige Route abrollt, vom Abschlag direkt ins Loch. Aber auch nur, wenn mit der korrekten Geschwindigkeit gearbeitet wurde. Noch nicht genug? Selbst die Temperatur des Balles kann entscheiden, gegebenenfalls ist ein Aufwärmen in der Hosentasche erforderlich. Kein Witz. Spektakulär entsprechend, mit einem Gewaltschlag alle genannten Kniffe ignorierend einzulochen. An dieser Stelle wird es nicht mehr verwundern, dass nasse Bahnen angepasste Taktiken erfordern. Und eben überhaupt eine gewisse Nerdigkeit, die zum Spielen im Regen antreibt.
Nerds kommen einzeln oder in Kleingruppen vor; für beide Varianten ist Minigolf geeignet. Während der Einzelkämpfer in sich versunken den perfekten Schlag übt, kann der Herdennerd auf unterstützende wie schwachsinnige Ratschläge seinesgleichen zurückgreifen – wird zuweilen aber auch Spott und Häme ausgesetzt sein, wenn der Schlag misslingt. Und Schläge misslingen oft, ist man noch nicht weit fortgeschritten.
Das führt uns zu der Leidenschaft, die in diesem kleinen Sport steckt. Schläger, zerbrochen vor Wut! Bälle, frustbefeuert ins Gebüsch geballert! Mehrfaches lautes Ausrufen von Scheiße und allen anderen Schimpfwörtern. Ungläubiges Entsetzen, das sich im Gesicht ausbreitet, wenn der doch so einfache Schlag zum dritten Mal scheitert. Und unbändige Freude, wenn das schwierige Hindernis im As überwunden wurde. Auch ohne Turnier herrscht auf dem Platz ständiger Wettkampf, der von der einzelnen Runde auf die gesamte Saison von Frühling bis Herbst erweiterbar und per Tabelle mit Rangliste und Statistiken selbst ins Internet übertragbar ist. Verbissener Ehrgeiz kann entfacht werden, es soll an dieser Stelle ausdrücklich davor gewarnt werden.
Zur Beruhigung der Nerven ist je nach Geschmack neben dem erwähnten Publikumseis ein erfrischendes Kaltgetränk geeignet, zur Stärkung etwa eine Frikadelle, wenn vorhanden. Aber: Gerade Biergenuss erhöht nicht unbedingt die Spielfähigkeiten (in manchen Fällen wiederum gerade doch). Der Anteil diebischer Freude am Scheitern der Mitspieler steigt dagegen sicher.
Soviel zum kleinen Exkurs ins Minigolfversum. Die Saison hat schon begonnen…
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